Religion prägt in zahlreichen Lebensbereichen unsere Wahrnehmung und Einstellung und beeinflusst damit auch den Umgang mit verschiedenen Themen und Situationen. Behinderung, Migration und Inklusion können ebenfalls aus einer religiösen Perspektive betrachtet werden. Meistens nehmen Religionen eine positive und wohlwollende Haltung gegenüber Diversität, Vielfalt und Inklusion ein. Dies beeinflusst den Umgang mit entsprechenden Phänomenen. Die Aufbereitung von Wissenselementen aus den verschiedenen Religionen und ihrer Traditionen kann zur Etablierung gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz von Differenzkategorien wie Behinderung und Migration beitragen.
Im Islam wird die Existenz von Behinderung als Teil der menschlichen Existenz und als normale Realität des irdischen Lebens betrachtet. Jeder Mensch erlebt individuelle Prüfungen, die das Leben als ganzheitliche Prüfung darstellen. Viel ausschlaggebender ist jedoch der alltagspraktische Umgang mit Behinderung, wobei klare Maximen formuliert werden.
Ein Blick in klassische Schriften zeigt, dass die muslimische Gemeinschaft (Umma) verpflichtet ist, jedem Menschen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Konkret bedeutet dies, dass die Gemeinschaft eine geeignete Umgebung schaffen muss, um Partizipation zu ermöglichen. Historische Zeugnisse muslimisch geprägter Kulturräume können als Vorbilder für die Gestaltung einer inklusiven muslimischen Gesellschaft dienen.
Ein beeindruckendes Beispiel ist die Gevher Hatun Medrese, heute ein Museum, das nach einem ganzheitlichen Prinzip Menschen mit körperlichen und psychischen Beschwerden aufnahm und behielt. Innovative Behandlungsmethoden wie das Plätschern von Wasser oder Vogelzwitschern in eigenen Behandlungsräumen wurden dort angewendet.
Ein weiteres Beispiel ist der Bildungsbereich, insbesondere Gehörlosen- und Blindenschulen. Es gab Einrichtungen zur Unterrichtung blinder Menschen im mesopotamischen Mosul und in Manisa, der heutigen Türkei. 1889 wurde im Osmanischen Reich eine Schule für gehörlose und blinde Schüler errichtet, in der Gebärdensprache und Brailleschrift verwendet wurden. Besonders hervorzuheben ist die Palastschule des Sultanats, die zukünftigen Wesire und Mitarbeiter ausbildete. Manuskripte belegen, dass Gebärdensprache dort eine lange Tradition hatte und gehörlose Bedienstete seit dem 16. Jahrhundert im Palast tätig waren. Europäische Diplomaten berichteten, dass der Sultan mit seinen Bediensteten in Gebärdensprache kommunizierte und diese die detaillierte Anweisungen verstanden.
Diese Beispiele zeigen das tief verwurzelte inklusive Grundverständnis in muslimisch geprägten Kulturräumen. Sie sollten uns dazu anregen, aktuelle Bestrebungen und Verständnisse im Umgang mit Behinderung zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu ordnen.
Inhalte dieser Seite in ...
Leichte Sprache
Religion und Behinderung
Die Religion hat eine bestimmte Perspektive auf diese Themen:
Migration
Behinderung
Inklusion
Deshalb kann Religion einen guten Einfluss auf die Menschen haben.
Menschen können sich mit Religion für diese Themen einsetzen:
Diversität
Vielfalt
Inklusion
Auch die Vergangenheit der Religion ist für diese Themen wichtig.
Mit der Vergangenheit können wir erkennen:
Wie haben sich die Menschen früher für diese Themen eingesetzt?
Im Islam gilt „Behinderung“ als Teil des irdischen Lebens.
Das irdische Leben ist das Leben als Mensch auf der Erde.
Nach dem irdischen Leben kommt das himmlische Leben.
Behinderungen sind im Islam also normal.
Alle Menschen sollen ihr Leben nämlich als Prüfung sehen.
Jeder Mensch hat eine eigene Prüfung.
Wichtig ist:
Wie gehen Menschen mit ihrer Prüfung um?
Alle Muslime müssen jedem Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.
Das heißt:
Die muslimische Gesellschaft muss die Umgebung für die Menschen gut aufbauen.
Die muslimische Gesellschaft muss die Umwelt zum Beispiel barrierefrei aufbauen.
So können in der Umgebung auch alle Menschen mit Behinderungen teilhaben.
Die Vergangenheit muslimischer Länder und Regionen zeigt:
So kann man die Umgebung inklusiv gestalten.
Wir zeigen zwei Beispiele.
Zum Beispiel: Die Gesundheit von Menschen mit Behinderungen
Vor 800 Jahren gab es die „Gevher Hatun Medrese“.
Das war früher eine medizinische Schule für Muslime.
Und das war früher auch ein Krankenhaus.
Die Patienten in diesem Krankenhaus hatten körperliche und psychische Krankheiten.
Heute ist die „Gevher Hatun Medrese“ ein Museum für Medizin.
Das Museum steht in der Türkei.
Aber:
Vor 800 Jahren war das Land noch nicht die Türkei.
Zum Beispiel: Schulen für Menschen mit Behinderungen
Wir wissen:
Es gab vor 5.000 Jahren schon Schulen für gehörlose und blinde Menschen.
Diese Schulen gab es zum Beispiel im Irak und in der Türkei.
Aber:
Vor 5.000 Jahren waren die Länder noch nicht der Irak und die Türkei.
Früher waren dort andere Länder.
Die Länder waren aber auch muslimisch.
Es gibt sehr alte Texte über den Palast des Sultans im osmanischen Reich.
Wissenschaftler denken:
Im Palast des Sultans haben auch taube Menschen gearbeitet.
Taube Menschen haben dort wahrscheinlich seit dem 16. Jahrhundert gearbeitet.
Und die tauben Menschen haben eine Gebärdensprache gesprochen.
Und der Sultan hat mit den tauben Menschen in Gebärdensprache gesprochen.
Ab dem Jahr 1889 gab es im osmanischen Reich Schulen für gehörlose und blinde Menschen.
In diesen Schulen wurden Gebärdensprache und Braille benutzt.
Diese Beispiele zeigen:
Es gibt im Islam schon sehr lange den Gedanken an Inklusion.
Mit den Beispielen können wir nachdenken.
Wie denken wir über Behinderung?
Und können wir anders denken?
Was machen wir für Menschen mit Behinderungen?
Und was können wir anders machen?
Was ist Ableismus? Ableismus ist eine Form der Diskriminierung, bei der Menschen aufgrund von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen benachteiligt, ausgegrenzt oder abgewertet werden. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort „able“ (fähig) ab und beschreibt die Annahme, dass Menschen mit bestimmten Fähigkeiten und Funktionen „normal“... Artikel anzeigen
In unserem Projekt „Mut zur Inklusion“ haben wir intensiv die Schnittstellen sowie Zusammenhänge, Herausforderungen und Potenziale der Themen Behinderung, Migration, Intersektionalität und Religion untersucht. Besonders im Kontext einer migrations- und diversitätssensiblen Arbeit sind diese Aspekte von besonderer Bedeutung. Im Folgenden möchten wir eine informative und... Artikel anzeigen
In der praktischen wie auch sozialen Arbeit ist es wichtig, beide Schnittstellen, sowohl „Behinderung“ als auch „Migration“ differenziert zu behandeln und entsprechend für die eigene Inklusionsarbeit analysieren zu können. Ein geeignetes und von uns empfohlenes Analyseinstrument ist dabei die Intersektionalitätsforschung. Die sog. „Intersektionale Perspektivierung“ in... Artikel anzeigen